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Warum jede Karrierefrau mal einen Monat Hausfrau sein sollte


Um es gleich vorweg zu sagen: ich hatte Glück. Unverschämtes Glück sogar. Und das obwohl ich in diesem Jahr zweimal betriebsbedingte Kündigungspapiere auf dem Tisch liegen hatte. Aber letzten Endes ging es ganz schnell, und ich hatte wieder einen neuen Job in Aussicht. Sagenhaft: Startdatum am 01. Dezember. Und es war gerade mal Ende Oktober. Einen Monat Nichtstun. Guten Gewissens. Das hatte ich das letzte mal vor 16 Jahren.

Anfangs machte ich mir etwas Sorgen, ich könne mich nach kürzester Zeit langweilen. Ich tönte laut, mir werde die Decke auf den Kopf fallen, und ich hielte es keine 3 Tage ohne sinnvolle Beschäftigung aus. Ich beneidete alle, die arbeiten gehen „durften“ und zog mir (zurecht) bösartige Blicke meines Freundes zu, ob meiner Undankbarkeit für so viel Freizeit.

Also gut, dachte ich mir, wozu bin ich seit Jahren im Online Marketing tätig, wenn ich nicht meine freie Zeit dazu nutze, die unendlichen Weiten des Netzes zu durchstreifen, auf der Suche nach Abenteuern. Nachdem ich mich (noch etwas im Karrierewahn) bei XING und Linked-In in alle interessanten Gruppen eingetragen hatte, entdeckte ich Lynda.com., wo ich mir morgens zwischen 09:00 und und 10.00 Uhr über einen Testacccount einige interessante Coaching Videos reinzog. Wie das so war? Ganz ehrlich? Verdammt anstrengend! Nach so langer Zeit alltäglicher Arbeit im Büro ertappt man sich dabei, nach ca. 15 Minuten prall gefüllte Lerneinheit, auf Pause zu drücken und sich zu fragen, wie man die nächsten 45 Minuten voll dabei bleiben kann. Seit diesem Zeitpunkt bringe ich meinem Sohn, der täglich 6 Stunden lang sein Lernprogramm namens Schule durchzieht, weitaus mehr Respekt für seine ungetrübte Schulbegeisterung entgegen.

In meiner Suche nach schicken Lebenslaufvorlagen war ich auf Pinterest gestoßen. Und als mir die freundliche Spotlight Suche des Internets mich fragte, ob ich denn nicht interessiert an schicken DIY (Do it yourself) Projekten wäre, da war es um mich geschehen. Ein nicht enden wollender Quell wirklich cooler, selbstgemachter „Life-Hacks“ überschwemmte meine ohnehin schon recht aktive Kreativität und manifestierte sich in einer Reihe teurer Onlinebestellungen mit Bastelmaterial. Die Resscourcenschonung vieler DIY Projekte habe ich damit natürlich direkt mal wieder zunichte gemacht.

Überhaupt...wenn man den Haushalt plötzlich in Form einer ToDo Liste konsequent abarbeitet, fallen einem auch ein paar Dinge auf, die nachdenklich stimmen: Trage ich hier wirklich gerade VIER volle Müllsäcke aus einer Woche einer dreiköpfigen Familie runter? Natürlich inklusive Meerschweinchen-Dreck. Überhaupt: diese kleinen Viecher, die zwar nicht viel in ihren kleinen Hirnen haben, sind doch tatsächlich traditionsbewusst! Denn wenn man sich zu Hause langweilt und nach der Lerneinheit Zerstreuung bei den kleinen Dummbeuteln sucht, stellt man fest, dass man direkt in die tägliche Siesta platzt, und gnadenlos ignoriert wird, während man sonst mit aufforderndem Quieken empfangen wird.

Wenn man dir Spülmaschine gefühlt zum zehnten Mal aus- und einräumt überlegt man sich, ob das nun so ist, weil man selbst versucht, auch mal nen Kuchen zu backen, oder ob man immer so viel Dreckgeschirr produziert. Eine weitere – für mich sehr erstaunliche – Erkenntnis: Man kann Kochen ÜBEN! Ich bin seit Jahren davon ausgegangen ein absoluter Honk am Herd zu sein, und habe dies auch mehrfach beeindruckend zur Schau gestellt, wenn ich doch mal aus romantischen Anflügen dachte, ich müsse den Kochlöffel schwingen. Aber nun hat man plötzlich Zeit und Muße Spotify in vollem Umfang zu nutzen, und mal nachzusehen, ob es nicht auch Playlists für Konzentration gibt, und Heureka! Ja, die gibt es! Von beruhigenden (und intellektuell anmutenden) Klaviergeklimper begleitet, arbeitet man sich meditativ durch jeden Rezeptschritt und plötzlich steht ein Kuchen auf dem Tisch, der nicht zusammenfällt oder man darf sich küren eine richtig echte Bechamelsoße selbst gemacht zu haben statt die aus der Tüte zu nehmen.

Mit der Zeit scheinen die Projekte vom Himmel zu fallen: brauchte der Elternbeirat nicht einen neuen Flyer? Hatte man seine besten Freunde nicht in letzter Zeit etwas vernachlässigt? Wie steht es mit einer Brettspielrunde: mal was kompliziertes, wie beispielsweise das Firefly Brettspiel (was zwar ultrakompliziert, aber sehr cool ist). Wollte der Sohn nicht an Fasching als Legolas gehen, und warum näht man das Kostüm nicht einfach selbst? Kürbisse schnitzen für Halloween? Klaro!! Ja: und Weihnachten steht ja auch vor der Tür. Warum nicht mal wie andere „anständige“ Haushalte eine Weihnachtsdeko anbringen? Ja!! schreit Pinterest mir zu: „Hier, nimm dies, 20 Weihnachtsgeschenke zum selber machen! 24 wunderhübsche Adventskalender Zahlen zum ausdrucken, gratis, nur gegen ein bisschen Zeit und Muße!“. Ach ja, und diesen Mobilfunkvertrag wollte ich doch auch noch kündigen...

Ehe man sich`s versieht blickt man immer öfter hektisch auf die Uhr, und fragt sich, wie das eigentlich zu Stande kommen konnte, bei all der freien Zeit. Gleichzeitig stellt man fest, dass Behördengänge, eMail Verkehr und Terminangelegenheiten immer anstrengender werden. Warum denn nur? Fragt man sich, jetzt, da ich endlich Zeit habe! Und dann stellt man fest, dass einem doch etwas fehlt....wenn der Rhythmus nicht da ist, der Flow, wie er sich nur dann einstellt, wenn man in knallharter „Abarbeiten“ Stimmung den Arbeitsalltag durchtaktet, wenn man dazu gezwungen ist, Hürden zu nehmen, anstatt Umwege zu finden, wenn man Drucker und Computer direkt an der Seite hat, dann gehen viele andere organisatorische Dinge leichter, weil sie einfach mit in den „Workflow“ aufgenommen werden.

Und so freue ich mich nun von ganzem Herzen auf den Workflow an meiner neuen Arbeitsstelle. Aber in diesem einen Monat „Hausarrest“ sind wesentlich mehr Erkenntnisse in mir gereift als in einem Arbeitsmonat.

Ganz nach dem Motto: Work hard, play hard – pause.....and start over again.


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